Eine der bedeutendsten und heute noch bekanntesten Uhrenfabriken des Schwarzwaldes war die "Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch" oder kurz A.G.U.L.. Sie stellte eine große Vielfalt an Wand, Tisch und Standuhren her. Die Uhrwerke sind dabei oft in edle Holzkästen eingesetzt die mit reichen Messingapplikationen verziert sind. Neben den Holzgehäusen gehöhrte eine Fülle an unterschiedlichsten vergoldeten Pendulen zu den Verkaufsangebot der Uhrenfabrik.
Das Modell des Fahnenträgers findet sich schon Ende der 1860er Jahre in den Preislisten. Anhand des Markenzeichens ist die Pendule nicht vor 1875 entstanden. Das Uhrwerk lässt mich noch ein bisschen stutzen, ob das wirklich im Schwarzwald produziert wurde. Ich habe den Verdacht, dass es sich um ein Uhrwerk oder zumindest ein Rohwerk der Rohwerksfabrik von Samuel Marti in Montbeliard handelt. Mal sehen ob ich das im Laufe der Zeit noch klären kann, dass die Uhrenfabrik in Lenzkirch noch in den späten 1870er Jahren Rohwerke von Samuel Marti bezog.
Vergoldete Zinkpendulle mit 14-Tage Schlagwerk, schwerem Pendel, Glasglocke und Sockel.
Modell: Fahnenträger (Porte drapeau) , Katalog Nr. 5940.
Bemerkung: Das Jagdmesser in der rechten Hand des Fahnenträgers und die Glasglocke fehlen.
Das Uhrwerk der Lenzkircher Pendulle: 14-Tage Werk mit Zugfedern, Hakengang über 8 1/2 Zähne, Halbstundenschlag auf Glocke
Maße:
Drurchmesser Platine Zifferblattsetie: 83 mm,
Durchmesser Platine Rückseite: 83,5 mm,
Platinenabstand: 32,7 mm, Platinendicke: 2,0 mm
Die Pendule "Der Fahnenträger" gibt es auch mit Japy Uhrwerk. Die beiden Gehäuse sind identisch, sogar das Messer ist bei beiden Figuren abgebrochen. Handelsbeziehungen von Japy in den Schwarzwald kann ich bis jetzt noch nicht ausreichend belegen, es würde mich aber nicht überraschen, wenn ich da auch fündig werde.
Diese Japy Pendule ist die erste antike Uhr die ich je gekauft habe. An dem Gehäuse habe ich vor nun bald 30 Jahren meine ersten galvanischen Übungen ausgeführt, wesshalb sie heute etwas kurrios ausschaut. Damals habe ich unter die Vergoldung noch eine Silberschicht aufgetragen, das war ein Fehler.
Im meinem Archiv zur Uhrenfabrik in Lenzkirch ist dies der ältesten Brief. Er gehört zu den Glanzstücken in der Sammlung und enthällt eine Bestellung von Uhrwerken bei Samuel Marti & Cie. in Montbeliard. Samuel Marti & Cie. war im 19. Jahrhundert eine der größten Fabriken für Rohwerke für Fanzösische Pendullen. Auf dieser Homepage habe ich eine umfangreiche Quellensammlung zu Samuel Marti zum Selbststudium bereitgestellt.
"1849/50 hatten Ignaz Schöpperle und Eduard hauser den Plan gefaßt, eine Werkstätte oder kleine Fabrik zur Herstellung von massiven Uhrenbestandteilen auf mechanischem Wege zu errichten." (Quelle 1, S. 88)
"Am 31. August 1851 wurde nun zur endgültigen Gründung einer Fabrik geschritten. Laut Vertrag wandelte man die Firma "Schöpperle & Hauser" in "Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation Lenzkirch" um unter der Mitgliedschaft von Franz Josef Faller, Edurad Hauser, Nikolaus Rogg, Ignaz Schöpperle, Paul Tritscheller, Nikolaus Trittscheller und Josef Wiest, die daher als Gründer des Unternehmens zu betrachten sind. Jeder der Teilhaber hatte eine Summe von je fl. 4000.- als Einsatz und je fl. 1000.- für einen Reserfevofond zu entrichten, so daß das ganze Aktienkapieal fl. 28000.- und der Reservefond fl. 7000.- betrug. Die Direktion wurde Nikolaus und Paul Trischeller anvertraut und zum technischen Leiter Eduard Hauser bestimmt." (Quelle 1, S.89)
Die Lenzkircher Uhrenfabrik A.G.U.L. hatte um 1870 bei der Firma Zimmern & Comp., 32 rue de Paradis Poissonnière in Paris Agenten. Bei Zimmern & Comp. muss es sich um eine Uhrengroßhandlung gehandelt haben. Mit den hier veröffentlichten Postkarten bekommt man einen Einduck über das Warenangebot und die Reichweite der Handelsbeziehungen. Die erste Postkarte stammt von der Uhrenfabrik Gustav Becker aus Freiburg in Schlesien. Weitergehende Informationen zur Firma konnte ich noch nicht ausfindig machen.
Paul Tritscheller war ein vielseitiger Unternehmer und politisch sehr aktiver Schwarzwälder. Er hatte mehrere Beteiligungen an unterschiedlichsten Fabriken unter denen die Lenzkircher Uhrenfabrik die heute wohl noch bekannteste ist.
"Tritscheller, Paul, Fabrikinhaber in Lenzkirch im Schwarzwald (Baden). Geb. 29. Juni 1822 (katholisch). Bereiste zum Oesteren in eigener Berufsthätigkeit Frankreich, England, Belgien, Holland, Deutschlad, die Oesterr. Staaten, Italien u. 1865-73 Mitgl. der Bad. II. Kammer, des landstädischen Ausschusses u. Mitgl. des Reichstags seit April 1872. - Wahlkr.: 5. Baden, Freiburg, Emmendingen, Waldkirch. (nat.-lib.)" (Quelle 2, Seite 267). Auf dem Abgebildeten Brief an den Reichstagsabgeordneten Tritscheller vom September 1872 sind die seit dem 01.01.1872 in Umlauf gekommenen neuen Briefmarken der Reichspost aufgeklebt. Die Badische Post ist in der Reichspost aufgegangen und Baden hatte nicht wie z.B. Bayern weiterhin eigene Briefmarken.
Von 1860 stammt dieser Geschäftsbrief der "Actiengesellschaft für Uhrenfabrication Lenzkirch". Das besondere daran ist der Vordruck mit den Preismedaillen der Industrieausstellung in München 1854. Die Rechnung geht über Zeigerwerke die die Uhrenfabrik Lenzkirch an die Telegraphen Werkstätte in Bern lieferte.
Zeugnisse für die frühen Jahre der Uhrenfabrik in Lenzkirch sind rar. Die Berichte der Welt- und Industrieausstellungen geben uns einen Überblick über das jeweilige Produktionsangebot. Wichtige Quelle für die frühen Jahre ist das Gewerbeblatt für den Schwarzwald. Es wurde herausgegeben von der Großherzoglich Badischen Uhrmacherschule in Furtwangen unter der Leitung von Robert Gerwig und berichtet grob was in den Anfangsjahren in der Fabrik hergestellt werden sollte und wurde.
Brief:" Die Actiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch" an "Herrn J. A. Beck& Cie in Augsburg" Lenzkirch 11. November 1854
Brief:"Die Actiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch" an "Monsieur Raoul Fabtn de limes 12. Rue Popincourt Paris". 26. Februar 1856
Briefumschlag:" Die Actiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch" an "Herrn H B Ernst Uhrenhandlung Leipzig" um 1870
Aus dem Jahre 1882 sind 12 Postkarten der Uhrenfabrik Lenzkirch erhalten mit Bestellungen bei Herrn Zimmern & Cie in Paris. Die Vorderseiten sind bei den Postkarten mehr oder weniger gleich, wesshalb nur eine veröffentlicht ist. Die 12 Rückseiten sind in der Fotogalerie einzusehen.
Die Briefhüllen wiederspiegeln den Internationale Handel der Uhrenfabrik Lenzkirch.
Quellen: